Autos, Radfahrer*innen, Hasen oder fliegende Bälle – die meisten Hunde würden am Liebsten jedem Bewegungsreiz folgen. Schließlich liegt es in ihrer Natur, Beute zu jagen. Dieser Instinkt ist in der heutigen Zeit allerdings nicht mehr alltagstauglich und manchmal sogar gefährlich. Was Impulskontrolle genau ist und wie dein Hund Impulskontrolle lernen kann, erfährst du in diesem Artikel. Viel Spaß beim Lesen!
Was bedeutet Impulskontrolle beim Hund?
Impulskontrolle heißt, einen Handlungsimpuls situativ unterdrücken zu können und auf einen Reiz nicht zu reagieren. Zum Beispiel: Kann dein Hund vor seinem gefüllten Futternapf sitzen und wartet, bis du ihm das Futter frei gibst, kann er in diesem Moment seinen Impuls (Fressen) kontrollieren. Impulskontrolle kommt auch dann zum Tragen, wenn dein Hund im Sitz oder Platz verharren kann, während du Ball, Spielzeug oder Dummy wirfst. Schafft ein jagdlich motivierter Hund es, einem Hasen nicht hinterher zu hetzen, ist auch das auf die Impulskontrolle des Hundes zurückzuführen.
Impulskontrolle vs. Frustrationstoleranz
Was ist Impulskontrolle? Was ist Frustrationstoleranz? Wo liegt der Unterschied? Die beiden Begriffe Impulskontrolle und Frustrationstoleranz gehen oftmals Hand in Hand, es gibt allerdings einen klaren Unterschied: Frustrationstoleranz beschreibt, wie der Begriff schon vermuten lässt, den Umgang mit Frust. Frust entsteht vor allem dann, wenn Wünsche und Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Viele Dinge können Frust auslösen, zum Beispiel keine Aufmerksamkeit zu bekommen, Hunger zu haben und einfach warten zu müssen, wenn man sich viel lieber bewegen möchte – kurzum Momente, die im Alltag immer wieder aufkommen können und die es auszuhalten gilt.
Eine beispielhafte Situation, in dem beides eine Rolle spielt: Zwei Hunde sitzen auf einer Wiese, der Mensch wirft einen Ball. Beide Hunde bleiben sitzen, anstatt dem Ball hinterher zu rennen (Impulskontrolle). Der Mensch gibt den Ball für einen Hund frei, der andere Hund muss weiterhin warten und dabei zusehen, wie sein Artgenosse mit dem Ball Spaß haben darf (Frustrationstoleranz). Folglich kann Frust und der Umgang damit auch eine große Rolle spielen, wenn du mit deinem Hund an der Impulskontrolle arbeiten willst.
Es ist von Vorteil, möglichst früh mit deinem Welpen die Frustrationstoleranz zu trainieren, sodass deine kleine Fellnase direkt lernt, mit Frust umzugehen.
Kann jeder Hund Impulskontrolle lernen?
Grundsätzlich kann jeder Hund lernen, seine Impulse zu kontrollieren. Je nach Rasse fällt es manchen Hunden leichter als anderen, an ihrer Impulskontrolle zu arbeiten. Hütehunde beispielsweise sind sehr stark auf optische Reize fokussiert und tun sich oftmals schwer damit, diesen nicht nachzugehen.
Das Impulskontrolle-Training hat auch einen positiven Effekt auf die Bindung zwischen dir und deinem Hund, außerdem werden die Grunderziehung und Konzentration deines Hundes gefestigt. Im Alltag kann eine hohe Impulskontrolle im besten Fall Gefahrensituationen für dich, deinen Hund und andere Menschen oder Tiere verhindern. Impulskontrolle bildet zudem die Basis für viele anderen Themen, wie beispielsweise die Leinenführigkeit.
In welchem Alter sollte Impulskontrolle trainiert werden?
Mit dem Training von Impulskontrolle und Frustrationstoleranz kann bereits früh begonnen werden. Mit einem Welpen kann beispielsweise trainiert werden, dass Futter am Boden nicht angerührt werden soll oder wie Hundebegegnungen entspannt ablaufen. Ältere Hunde sind ebenfalls durchaus noch in der Lage an ihrer Frustrationstoleranz und Selbstbeherrschung zu arbeiten.
Wie kann ich die Impulskontrolle meines Hundes trainieren?
Beim Training der Impulskontrolle geht es nicht darum, Tricks oder Kommandos zu konditionieren. Du möchtest ihm stattdessen ein Prinzip vermitteln. Das heißt, dass dein Hund generell lernen muss, sich im Alltag an dir zu orientieren und in reizvollen Situationen nicht einfach seinen Impulsen nachzugeben.
Natürlich kann es sein, dass dein Hund beispielsweise vor dem Futternapf seine Impulse schon jetzt wunderbar kontrollieren und warten kann, aber beim Ballspiel große Schwierigkeiten damit hat – das sind auch zwei vollkommen unterschiedliche Situationen, die je nach Hund ein ganz anderes Maß an Selbstbeherrschung benötigen.
Nachfolgend zeigen wir dir zwei einfache Übungen, die du mit deinem Hund Zuhause machen kannst, um seine Impulskontrolle und Frustrationstoleranz zu trainieren. Dabei ist es hilfreich, wenn du vor dem Training mit deinem Vierbeiner ein kleines Stück spazieren gehst, damit er sich lösen und schon ein bisschen Energie abbauen kann. Idealerweise startest du mit dem Training in einer reizarmen Umgebung.
Impulskontrolle lernen – Übung 1: Futter widerstehen
Bei dieser Übung geht es darum, dass dein Hund angebotenes Futter nicht einfach annimmt, sondern sich aus Eigeninitiative dagegen entscheidet. Bestenfalls sollte er sich nicht nur zurücknehmen, sondern via Blickkontakt bei dir nachfragen, ob er an das Futter darf.
Diese Übung kann auch im Alltag sehr hilfreich sein: Mit dem entsprechenden Trainingsstand kannst du damit beispielsweise verhindern, dass dein Hund beim Spaziergang Giftköder aufnimmt.
Schritt 1: Die Basis
Diese Übung startest du, indem du dich vor deinen Hund setzt. In deiner verschlossenen Hand hältst du mehrere Futterstücke. Du sagst an diesem Punkt noch nichts zu deinem Hund, er soll selbst auf die Idee kommen, dass er sein Verhalten abbrechen und dich um Hilfe fragen kann. Im Idealfall merkt der Hund nach kurzer Zeit, dass er jetzt nicht an das Futter kommt und nimmt sich zurück.
Das Zurücknehmen kann sich auf unterschiedlichste Weise äußern: Setzen, hinlegen, verharren, Blick abwenden oder sogar schon ein kurzer Blickkontakt zu dir. Letzteres muss allerdings an diesem Punkt noch nicht unbedingt stattfinden. In jedem Fall wird Zurücknehmen mit einem Futterstück aus deiner Hand belohnt.
Schafft dein Hund das nicht, kannst du auch in beide Hände Futter nehmen und die Hände auseinander halten. Manchen Hunden fällt es dann leichter, sich von deinen Händen abzuwenden.
Schritt 2: Abbruchsignal
In einem zweiten Schritt führst du nun ein Abbruchsignal ein. Das kann zum Beispiel aus den Worten „lass es“ bestehen. Das benutzt du, um deinem Vierbeiner zu signalisieren, dass er sein aktuelles Verhalten unterbrechen soll. Halte ihm also wieder deine verschlossene Hand mit dem Futter hin und nutze dein Abbruchsignal. Sobald sich dein Hund zurücknimmt, belohnst du ihn auch in diesem Schritt mit einem Futterstück aus deiner Hand.
Schritt 3: Futter auf den Boden legen
Wenn die ersten beiden Schritte gefestigt sind, kannst du nun den Schwierigkeitsgrad dieser Übung erhöhen. Dazu legst du nun das Futter vor deinen Hund auf den Boden. Wenn er an das Futter möchte, blockst du ihn mit deiner ausgestreckten Hand ab und nutzt gleichzeitig dein Abbruchsignal. Schreie deinen Vierbeiner hier auf keinen Fall an, sondern sei klar und bestimmt.
Sobald du siehst, dass sich dein Vierbeiner zurücknimmt und nicht mehr an das Futter will, belohnst du ihn. Das machst du, indem du ein hochwertigeres Futter als das auf dem Boden aus deiner Tasche holst, deinen Hund ein paar Meter von dem Reiz weg lockst und ihm das Futter aus deiner Tasche gibst.
Es ist in dieser Übung sehr wichtig, dass du ihm nicht das Futter auf dem Boden gibst, sondern etwas aus deiner Tasche. So lernt dein Hund, dass es bei dir viel bessere Belohnungen gibt, was auch die Orientierung an dir fördert. Außerdem geht so der Lerneffekt nicht verloren.
Du kannst diesen Schritt auch in Bewegung üben. Dazu gehst du mit deinem Vierbeiner an der Stelle mit dem Leckerli vorbei. Sobald er hin möchte, stellst du dich mit deinem ganzen Körper vor das Leckerli und drehst dich zu deinem Vierbeiner um. Das Leckerli ist jetzt hinter dir und wird von dir blockiert. Sobald sich dein Hund hier wieder zurücknimmt, holst du das hochwertigere Futter aus seiner Tasche, lockst ihn ein paar Meter weg und gibst es ihm.
Impulskontrolle lernen – Übung 2: Spielzeug werfen
Für diese Übung benötigst du das Lieblingsspielzeug deines Hundes. Achte darauf, dass das Spielzeug keine Verletzungsgefahr für deinen Hund darstellt. Es sollte also nicht zu klein sein, nicht splittern und keine spitzen Ecken oder Kanten haben. Das Spielzeug sollte außerdem keine Geräusche machen, um deinen Hund in dieser Übung nicht zu sehr aufzuregen.
Schritt 1: Die Basis
Zunächst platzierst du deinen Hund an einer Stelle, in dem du ihm das Kommando „Sitz“ oder „Platz“ gibst. Anschließend kniest du dich neben deinem Hund, fasst in sein Halsband und zeigst ihm das Spielzeug. Das Sichern am Halsband ist anfangs wichtig, damit dein Hund auch wirklich im Kommando bleibt und nicht doch dem Spielzeug hinterherläuft.
Sag nun dein vorher etabliertes Abbruchsignal – „lass es“ – und wirf das Spielzeug. Halte deinen Hund am Halsband fest und warte, bis er nicht mehr zieht, sich entspannt und vielleicht sogar zu dir blickt. Dafür belohnst du ihn mit einem Leckerli. Falls dein Hund keine Leckerlis mag oder in solchen Situationen kein Futter annimmt, kannst du ihn auch mit einem zweiten Spielzeug belohnen.
Du kannst nach ein paar Wiederholungen deine Hand vom Halsband nehmen und testen, ob dein Hund ohne diese zusätzliche Absicherung dem Spielzeug folgen würde. Ist das der Fall, musst du sehr schnell reagieren, das Abbruchsignal nutzen und deinen Hund festhalten oder körperlich blockieren. Bleibe dabei ruhig und werde nicht hektisch oder emotional.
Bis dieser Übungsschritt gefestigt ist, kann es dauern. Bleibe geduldig und gelassen – es ist ganz normal, wenn dein Hund sich anfangs schwer tut. Arbeite in kurzen Trainingssequenzen, um deinen Vierbeiner nicht zu überfordern.
Schritt 2: Auf Distanz gehen
Wenn Schritt 1 gut funktioniert, kannst du dich nun ein paar Schritte von deinem Hund entfernen. Benutze das Abbruchsignal und wirf das Spielzeug so vor deinen Vierbeiner, dass ein Dreieck zwischen dir, dem Spielzeug und deinem Hund entsteht. So könntest du zwischen deinen Vierbeiner und das Spielzeug treten, falls er aufsteht.
Wenn dein Hund an seinem Platz bleibt, rufst du ihn nun zu dir und belohnst ihn mit einem Leckerli oder einem anderen Spielzeug. In diesem Schritt ist es sehr wichtig, dass dein Hund nicht zur Belohnung an das Spielzeug darf, da er sonst die ganze Zeit nur darauf warten würde. Wenn dein Vierbeiner die Situation ausnutzen und zum Spielzeug rennen will, kannst du anfangs mit einer Schleppleine arbeiten. So kannst du ihn auch aus einer gewissen Entfernung davon abhalten, an das Spielzeug zu kommen. Wichtig ist, dass du die Schleppleine immer an einem Geschirr und nicht am Halsband befestigst, um die Verletzungsgefahr zu minimieren.
Zu Beginn kannst du das Spielzeug auch auf den Boden legen anstatt es zu werfen, damit der Impuls für deinen Hund nicht so groß ist. Falls er dennoch aufsteht und zu dem Spielzeug läuft, blockierst du ihn mit deinem Körper, führst du ihn wieder an seinen Platz zurück und wiederholst die Übung. Das kann einiges an Geduld fordern. Achte darauf, dennoch nicht zu streng mit deinem Hund zu werden und niemals Gewalt anzuwenden.
Impulskontrolle im Alltag
Bei der Impulskontrolle geht es aber nicht nur um bestimmte Situationen, sondern auch um alltägliche Dinge. Dein Hund sollte beispielsweise nicht einfach zur Tür rennen, wenn es klingelt, oder aus dem Auto springen, sobald du den Kofferraum öffnest. Du kannst auch beim Spaziergang üben, dass dein Vierbeiner nicht zu jedem interessanten Stein laufen und nicht jeden fremden Hund begrüßen darf.
Ziel ist es also, die Impulskontrolle deines Hundes grundlegend zu festigen und ihm dieses Prinzip so früh und oft wie möglich zu vermitteln. Das bedeutet nicht, dass dein Vierbeiner nichts mehr darf. Er soll sich aber an dir orientieren, auf deine Freigaben warten und nicht einfach jedem Reiz blindlings folgen – je besser das klappt, desto mehr Freiheiten kann dein Hund genießen.
Eine funktionierende Impulskontrolle bietet auch eine gewisse Sicherheit im Alltag für dich, deinen Hund, deine Mitmenschen und andere Tiere. Ein Hund mit einer sehr hohen Impulskontrolle wird beim Spaziergang mit großer Wahrscheinlichkeit keine herumliegenden Giftköder fressen, Jogger jagen und oder Wildtiere gefährden, sondern allgemein bedachter handeln als ein Hund mit wenig Impulskontrolle.
Falls das Training mit deinem Vierbeiner gar nicht klappt, kannst du dich immer an eine Hundeschule oder einen/eine Hundertrainer*in wenden.
Wir wünschen dir viel Spaß im Training mit deinem Vierbeiner!